Teile--und werde mehr by Christa Spannbauer
Autor:Christa Spannbauer
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Herder
veröffentlicht: 2017-08-30T16:00:00+00:00
Shared Reading
Der Aushang am Schwarzen Brett der Berliner Gedenkbibliothek hatte mich neugierig gemacht. Und so saß ich bereits wenige Tage später in der Cafeteria der Bibliothek mit anderen Neugierigen an einem runden Tisch zusammen, wo uns der Organisator des Treffens das Projekt des „Shared Reading“ vorstellte. Ende der 1990er-Jahre in Liverpool aus der Taufe gehoben, ist dieses Projekt in England bereits seit Jahren eine landesweite Bewegung. Initiiert wurde sie von Jane Davis, einer Frau aus der Arbeiterklasse, die in ihrem Umfeld die Erfahrung machte, dass die Menschen oft gar keine Worte hatten, um ihre Gefühle auszudrücken. Und so kam sie auf die Idee der gemeinsamen Lesekreise: „Zusammen lesen ist ein wundervoller Weg, um mit anderen Menschen verbunden zu sein.“ Die Idee ist tatsächlich denkbar einfach: Menschen treffen sich an einem Tisch, sie lesen sich einige Seiten einer Erzählung oder eines Romans vor und kommen darüber miteinander ins Gespräch.
In dem Text, der an diesem Tag als Fotokopie vor uns lag, lernten wir eine Frau kennen, deren Gedanken sich unablässig um einen roten Teppich in ihrer Wohnung drehten, den sie zwar irgendwie loswerden wollte, zugleich aber nicht so recht wusste, wie sie dies bewerkstelligen könnte.
„Wie finden Sie das Verhalten der Frau?“, fragte der Leiter des Treffens, nachdem ein junger Mann aus der Gruppe die Geschichte laut vorgelesen hatte. Umgehend kam ein Gespräch in Gang. Und es wurde sehr schnell deutlich: Jeder in diesem Raum konnte mit dem Problem der Protagonistin etwas anfangen. Innerhalb kürzester Zeit waren wir mittendrin in einem regen Austausch darüber, wie wir mit den Dingen in unserem Leben umgehen, die uns zwar im Wege sind, für die wir aber noch keine rechte Lösung gefunden haben. „Weshalb räumt sie den Teppich nicht irgendwo hin, wo sie ihn nicht mehr sehen muss?“, fragt eine ältere Frau leicht verärgert. „Ich würde ihn schleunigst verkaufen und mir mit dem Erlös etwas Schönes gönnen“, wirft eine junge Frau ein. „Haben wir nicht alle so einen roten Teppich in unserem Leben, ein Problem, das uns ständig begleitet und das wir trotzdem nicht zu lösen wissen?“, will ich von den anderen wissen. So entwickelte sich ein Austausch darüber, wie wir mit den Schwierigkeiten in unserem Leben umgehen.
Ja, gute Literatur hat eine therapeutische Komponente und hilft bei der Bewältigung von Lebensproblemen. Und sie verbindet Menschen miteinander. Das wurde mir an diesem Abend deutlicher denn je bewusst. Denn es war nicht nur der literarische Text selbst, der meinen Erfahrungshorizont weitete, es war vor allem der Austausch mit anderen Lesern, der mir viele neue Inspirationen gab. Ich erhielt Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt von Menschen, die mir bislang fremd waren. Der Text öffnete einen gemeinsamen Raum der Verbundenheit, in dem das Verständnis füreinander wachsen konnte.
Ach, und bevor ich es vergesse: Was ist denn der rote Teppich in Ihrem Leben?
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